Mietzinsminderung – eine neue Richtung in der Rechtsprechung

Rubrik: Recht allgemein
Ausgabe: Jän. 2025

Paragraf_LabyrinthDer Oberste Gerichtshof (OGH) war im Dezember 2023 unter der Geschäftszahl 5 Ob 176/23b mit einer rückwirkend begehrten Reduktion des Mietzinses für eine Wohnung befasst. Die Elektroanlage dieser Wohnung war im Jahr 2005 neu errichtet worden und blieb bis zum Jahr 2015 unverändert. Ende 2015 wurde diese Anlage von einem Fachmann messtechnisch überprüft. Dieser stellte wegen Mängelfreiheit einen positiven Elektrobefund aus, laut welchem die Anlage dem Stand der Technik entsprach.

Die Wohnung wurde daraufhin vermietet. Erstmals im Jahr 2020 zeigte die elektrotechnische Anlage bestimmte Auffälligkeiten: so flackerte das Licht plötzlich oder ließ sich nicht mehr abschalten, die Sicherung fiel und Brandgeruch wurde wahrnehmbar. Ein herbeigerufener Elektriker konnte verschmorte Teile in der Elektroanlage und unter anderem Mängel an den Leitungen feststellen. Eine Reparatur konnte nicht Abhilfe schaffen, die Brandgefahr bestand weiterhin. Der Mieter setzte daraufhin die Hausverwaltung davon in Kenntnis, dass er die Wohnungsmiete wegen allfälliger Mangelhaftigkeit der Elektroanlage nur mehr unter Vorbehalt entrichtet. Monate später – im April 2021 – wurde die Elektroanlage im Auftrag des Vermieters repariert und auf den damaligen Stand der Technik gebracht.

Der Mieter begehrte im März 2021 rückwirkend – also ab Beginn des Mietvertrags – eine Mietzinsminderung. Das Recht, die Miete eines mangelhaften Mietgegenstands eigenmächtig herabzusetzen, wird dem Mieter von § 1096 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) eingeräumt. Dabei wird auf das Ausmaß der Unbrauchbarkeit abgestellt, sodass die Mietzinsminderung sogar soweit gehen kann, dass die Zahlung von Miete und Betriebskostenakonto gänzlich unterbleibt. Der OGH hat das Recht der Mietzinsminderung bereits in mehreren Entscheidungen als „Druckmittel“ für die Aufrechterhaltung der Brauchbarkeit des Mietobjekts bezeichnet.

Der Vermieter verwies auf die 2015 stattgefundene Überprüfung, welche die Anlage als dem Stand der Technik entsprechend qualifizierte und ihr Mängelfreiheit attestierte. Der Vermieter vertrat den Standpunkt, dass der Mieter weder ihm, noch der Hausverwaltung die Gefährlichkeit der mangelhaften elektrotechnischen Anlage angezeigt hatte und die Wohnung für den Mieter dennoch uneingeschränkt benutzbar gewesen sei.

Die Entscheidung des OGH ist deshalb richtungsweisend, da das Höchstgericht darin seine bisherige Judikaturlinie verlassen hat. Nach der bisherigen Judikaturlinie war der Mieter nicht berechtigt, eine rückwirkende Mietzinsminderung zu begehren. Eine Mietzinsminderung war nach der bisherigen Judikatur erst möglich, wenn die Reduktion der Mietzinszahlung dem Vermieter zuvor angezeigt wurde. Bislang war eine Reduktion der Mietzinszahlung für vor dieser Mitteilung (zum Teil) eingetretene Unbrauchbarkeit des Mietgegenstands nicht möglich.

Seit der Entscheidung des OGH mit der Geschäftszahl 5 Ob 176/23b vertritt das Höchstgericht die Ansicht, dass die Anzeige an den Vermieter nur dann eine Voraussetzung für die Herabsetzung der Miete ist, wenn es sich um einen bekannten Mangel handelt. Bei Mängeln, die dem Mieter bekannt sind, gilt weiterhin, dass dieser den Vermieter darüber in Kenntnis setzen muss, sodass der Vermieter die Möglichkeit erhält, den Mangel zu beheben und damit eine Mietzinsreduktion abzuwenden.

Anders verhält es sich nun aber bei Mängeln des Mietgegenstands, die dem Mieter nicht bekannt waren: in einem solchen Fall ist der Mieter berechtigt, die Miete auch rückwirkend zu reduzieren, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob der Mieter von dem Mangel Kenntnis hatte oder ob er in dieser Zeit eine Gebrauchsbeeinträchtigung des Mietgegenstands hatte.

Seite drucken | zurück