In Umsetzung der Transparenz-Richtlinie der EU (2019/1152) wurde im Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz (AVRAG) ein neuer § 11b eingeführt. Nach Art 13 dieser Richtlinie müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass eine Fortbildung kostenlos angeboten und als Arbeitszeit angerechnet wird, wenn die Arbeitgeber aufgrund von Rechtsvorschriften oder Kollektivverträgen verpflichtet sind, die Fortbildung den Arbeitnehmern im Hinblick auf die Arbeit anzubieten. § 11b AVRAG legt folglich nunmehr fest, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber Kosten für die Aus-, Fort- und Weiterbildung zu tragen haben und ob die Teilnahme des Arbeitnehmers an diesen Maßnahmen Arbeitszeit darstellt.
Eine gesetzliche Definition dieser Begriffe findet sich nicht. Nach der Rechtsprechung des OGH soll eine Ausbildung die Grundbefähigung für die Ausübung eines Berufes vermitteln, während die Fortbildung der Erhaltung der Fähigkeit nach den „Regeln der Kunst (leges artis)“ ermöglichen soll. Demgegenüber zielt die Weiterbildung auf die Erweiterung der bereits in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ab. Unter Weiterbildung wird der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen im Rahmen des Tätigkeitsbereiches, für welchen der Arbeitnehmer zugelassen ist bzw eine Vertiefung einzelner Schwerpunkte verstanden.
Das Gesetz selbst stellt darauf ab, ob eine bestimmte Aus-, Fort- oder Weiterbildung aufgrund gesetzlicher Vorschriften, Verordnungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, oder des Arbeitsvertrages Voraussetzung für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit ist. Fraglich ist, wie berufsrechtlich festgelegte Fortbildungspflichten zu bewerten sind. So sehen vor allem berufsrechtliche Vorschriften bei den Gesundheitsberufen bzw in der Rechtsberatung laufende Fortbildungspflichten vor. Sind derartige berufsrechtliche Fortbildungspflichten nicht bereits ohnehin aufgrund gesetzlicher Vorschriften festgelegt, müsste geprüft werden, ob diese Fortbildungen nicht eine Voraussetzung für die Erbringung der arbeitsvertraglichen Tätigkeiten darstellen.
Die berufsrechtlichen Fortbildungsverpflichtungen sind dabei unterschiedlich konstruiert. Während in einigen Gesetzen ausdrückliche Sanktionen vorgesehen werden (zB im Sanitätsgesetz), legen andere Gesetze lediglich eine Fortbildungsverpflichtung fest, ohne berufsrechtliche Konsequenzen daran zu knüpfen (zB Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, Medizinisches-Assistenzberufegesetz).
Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft hat in einer Information festgehalten, dass es für die Anwendbarkeit des § 11b AVRAG erforderlich ist, dass das jeweilige Gesetz für das Unterlassen der Aus-, Fort- oder Weiterbildung eine konkrete Rechtsfolge vorsieht. Dies könnte in einer Nachweispflicht der erfolgten Bildungsmaßnahme als Voraussetzung für die Tätigkeit oder eine Strafbestimmung für das Unterbleiben des Absolvierens vorgesehener Fortbildungen sein.
§ 71 Abs 3 WTBG verpflichtet etwa Berufsberechtigte (Steuerberater/Wirtschaftstreuhänder) zu Fortbildungen innerhalb von 3 Jahreszeiträumen im Ausmaß von 120 Stunden (zumindest 30 Stunden pro Kalenderjahr). Ein Verstoß gegen diese Fortbildungsverpflichtung ist ein Berufsvergehen, das in einem Disziplinarverfahren mit Geldbuße oder der vorübergehenden Untersagung der selbständigen Berufsausübung geahndet werden kann. Diese vorgeschriebene Fortbildung wird im Sinne des
§ 11b AVRAG als Voraussetzung für die Ausübung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit als Steuerberater anzusehen sein, weil der weiteren Tätigkeit als Rechtsfolge ausbleibender Fortbildung die Verhängung einer Geldbuße droht.
Auch Fortbildungsveranstaltungen im Sinne des § 33 Abs 3 Bilanzbuchhaltergesetz fallen nach dieser Ansicht in den Geltungsbereich des § 11b AVRAG, da die Nichtbeachtung mit Geldstrafen bedroht ist.
Im Zusammenhang mit den Gesundheitsberufen wird vertreten, dass die anhaltende und schwerwiegende Verletzung der Fortbildungspflicht die Berufsvoraussetzung der Vertrauenswürdigkeit in Zweifel ziehen kann, was in letzter Konsequenz einen Entzug der Berufsberechtigung zur Folge haben kann. Jedoch ist in den gesetzlichen Vorschriften für Verstöße gegen die Fortbildungsverpflichtung weder die Entziehung der Berufsberechtigung noch eine Strafbestimmung vorgesehen. Nach Ansicht des Ministeriums sind diese Fälle somit nicht in den Anwendungsbereich des § 11b AVRAG einzuordnen.
Weiters hält das Ministerium fest, dass eine bestimmte Aus-, Fort- oder Weiterbildung Voraussetzung für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit sein muss. Wird eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverpflichtung zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung bloß allgemein statuiert, aber nicht näher konkretisiert, ist § 11b AVRAG nicht heranzuziehen. Beispielhaft verweist das Ministerium auf § 63 Abs 1 GuKG, nach welchem Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege Fortbildungen zur Information über die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse insbesondere der Pflegewissenschaft sowie der medizinischen Wissenschaft, oder der Vertiefung der in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten innerhalb von jeweils 5 Jahren Fortbildungen in der Dauer von mindestens 60 Stunden besuchen müssen.
§ 11b AVRAG regelt weiters nur die Kostenübernahme für Bildungsmaßnahmen im aufrechten Arbeitsverhältnis. Das Ministerium bezieht sich einerseits auf die Transparenz-Richtlinie und andererseits auf die Rechtsprechung des OGH zu § 1014 ABGB, nach welcher eine Kostentragungspflicht der Arbeitgeber dann besteht, wenn die Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zu einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung verpflichtet sind. Das Ministerium hält fest, dass für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit eine bestimmte Qualifizierung erforderlich ist, ohne dass die Tätigkeit sonst nicht ausgeübt werden dürfte und zweitens, dass die Qualifizierung erst nach dem Zustandekommen jenes Arbeitsverhältnisses absolviert wird, dass die Qualifizierung bereits verlangt. Bildungsmaßnahmen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages bereits absolviert sind, sind folglich nicht erfasst.
Nicht ausdrücklich geregelt wurde das Verhältnis des neuen § 11b AVRAG zum bestehenden § 2d AVRAG, welcher die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Ausbildungskostenrückersatzes festlegt. Das Ministerium hält dazu fest, dass der Wortlaut des § 11b AVRAG einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung nicht entgegen steht. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob sich die Rechtsprechung den in der Information des Ministeriums kommunizierten Rechtsansichten anschließen wird.