Wenn das Bauen länger dauert…

Rubrik: Recht allgemein
Ausgabe: Nov. 2022

… als bei Einreichplanung und Spatenstich abgeschätzt und vertraglich vereinbart wurde, dann kann es dafür mehrere Gründe geben.

Ziegel-Rohbauten-mit-GerüstEtwa ein sommerliches Bauverbot in Tourismusregionen, Lieferkettenprobleme, schlechte Witterung über einen längeren Zeitraum oder krankheitsbedingter Personalausfall in einer Partie. Aber auch durch auf Seiten des Bauherrn liegende Probleme kann es zu Verzögerungen der termingerechten Vollendung des Bauvorhabens und damit zu einer Bauzeitverlängerung kommen. Solche Verzögerungen können in der Qualität der Ausschreibungsunterlagen oder der Baubeschreibung begründet sein, es kann sich auch um nachträgliche Änderungen der Baubeschreibung handeln, welche zur Notwendigkeit von Austauschplänen führen. Eine weitere Ursache kann in verzögerter Entscheidungsfindung durch den Bauherrn begründet sein. Auch fehlerbehaftete oder gänzlich fehlende Vorunternehmerleistungen können zu einer Bauzeitverlängerung führen.

Ein gestörter Bauablauf und die daraus resultierende Verlängerung der Bauzeit sind für beide Seiten unangenehm: der Auftragnehmer läuft Gefahr, dass die erbrachten Leistungen weniger Deckungsbeiträge für die Gemeinkosten erlösen, als durch den Mehraufwand an Zeit und Kosten anfällt und mit der längeren Bauzeit nehmen auch die Kosten für die Bauaufsicht zu. Nicht zuletzt wirken sich zu allem Übel auch die derzeit ständig steigenden Preise für Rohstoffe und Baumaterial ungünstig auf die Baukosten aus, wenn das Bauvorhaben längere Zeit in Anspruch nimmt, als ursprünglich beabsichtigt. Die Zeit ist ein zu berücksichtigender Faktor: der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich im November 2017 mit Verzögerungen am Bau befasst und ausgesprochen, dass es, wenn der Bauherr den Zeitplan „über den Haufen geworfen“ hat, keine verbindliche Fertigstellungsfrist mehr gibt und eine vereinbarte Strafabrede (Pönale) ins Leere geht (OGH 21.11.2017, 6 Ob 101/17x).

Die ÖNORM B 2110 „Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen“ befasst sich etwa damit, welche Ereignisse Verzögerungen des Bauvorhabens bewirken, die der auftragserteilende Bauherr zu verantworten hat. Diese ÖNORM sieht auch Mitteilungspflichten vor, um für den Fall, dass der Bauherr eine Leistungsänderung begehrt, dieser über allenfalls entstehende Mehrkosten und Fristverlängerungen sofort in Kenntnis gesetzt wird.
Erleidet der Auftragnehmer bei der Bauausführung einen Zeitverlust aufgrund von Umständen, die der Bauherr zu verantworten hat, dann gebührt dem Auftragnehmer eine angemessene Entschädigung. Seine Leistungsbereitschaft wird dabei vorausgesetzt und es wird dabei berücksichtigt, ob er die so freigewordenen Baumaterialien stattdessen bei anderen Projekten verwenden oder seine Mitarbeiter auf anderen Baustellen einsetzen konnte.

Es ist ratsam, in der Planung die kalkulierte Bauzeit exakt darzulegen und zusätzlich zum Bautagebuch Baubesprechungsprotokolle zu führen. Das ermöglicht einen Nachweis über die Gründe, welche zur Verlängerung der Bauzeit geführt haben und zu erheben, in wessen Sphäre diese Gründe gelegen sind. Damit wird eine Grundlage für die Beurteilung und Berechnung der entstandenen Mehr- oder Minderkosten geschaffen.

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