Wie oft darf der Verkäufer ein mangelhaftes Produkt reparieren?

Rubrik: Recht allgemein
Ausgabe: Jän. 2023

Wenn sich ein Produkt kurz nach der Neuanschaffung als mangelhaft herausstellt, ist die Freude über den Kauf mehr als getrübt, besonders, wenn es sich um die Anschaffung eines teuren Produkts handelt oder um ein solches, das man nicht alle Tage kauft. Diese Erfahrung musste ein Konsument mit seinem im Oktober 2019 erworbenen Neuwagen machen: er kaufte zum Preis von ca. € 36.000,-- einen Pkw bei einem Fahrzeughändler. Kurz darauf fiel ihm auf, dass die Spaltmaße bei den Türen nicht passten. Er konfrontierte den Verkäufer damit und übergab ihm das Fahrzeug zur Reparatur, damit die Spaltmaße korrigiert werden. Es kam noch schlimmer – wenige Tage nach dieser Reparatur kam es zu einem massiven Wassereintritt im Bereich der rechten A-Säule auf der Beifahrerseite.

AutoreparaturZirka einen Monat später wurde das Fahrzeug zur Reparatur gebracht, doch die Ursache für den Wassereintritt wurde dabei nicht behoben. In den darauffolgenden Wochen – im Jänner 2020 und in der ersten Februar-Woche 2020 – trat Wasser in das Fahrzeug ein.

Der für die zweite Februar-Woche vereinbarte Reparaturtermin wurde aber nach dem dritten Wassereintritt vom Fahrzeugbesitzer abgesagt: er gab an, das Vertrauen in das Fahrzeug verloren zu haben und erklärte den Rücktritt vom Vertrag und signalisierte auch die Bereitschaft, das Fahrzeug auszutauschen. Der Verkäufer war damit nicht einverstanden und vertrat die Ansicht, dass ihm das Recht zur Verbesserung (Reparatur) zustehe, aber ein Grund zum Rückabwickeln des Kaufvertrags nicht bestehe. Der Verkäufer räumte ein, dass bei den bisherigen Reparaturen die Methoden mit dem geringsten Aufwand zum Einsatz kamen und im nächsten Schritt die nächste Reparaturmaßnahme anzuwenden sei – nämlich Austausch und Neueinklebung der Windschutzscheibe.

Nunmehr vertrat der Käufer die Ansicht, dass eine undichte Stelle bei einem Neuwagen, durch welche bereits mehrmals Wasser in das Fahrzeuginnere gekommen war, als schwerer Mangel anzusehen ist. Da der Versuch der Reparatur nicht den gewünschten Erfolg herbeigeführt habe, sei der Vertrag aufzulösen.

Es wurde daher der Rechtsweg beschritten. Das Erstgericht verpflichtete den Verkäufer zur Rücknahme des Fahrzeugs und – unter Berücksichtigung eines Benutzungsentgelts für die Zeit der Fahrzeugnutzung – dem Käufer ca. €  33.000,-- zurückzuerstatten. Der Verkäufer brachte dagegen ein Rechtsmittel ein.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und begründete dies damit, dass sich der Fahrzeugkäufer durch die Vereinbarung eines weiteren Reparaturtermins im Februar 2020 auf einen weiteren Verbesserungsversuch eingelassen habe. Allerdings ließ das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof (OGH) zu der Frage, ob bereits nach dem ersten misslungenen Verbesserungsversuch eine Rückabwicklung des Vertrags zulässig ist oder der Rücktritt vom Vertrag wegen eines bereits angebotenen weiteren Verbesserungsversuches nicht gestattet ist, zu.

Der OGH befasste sich sodann mit dieser Frage. Das Höchstgericht verwies auf seine ständige Rechtsprechung: Schon nach dem erfolglosen ersten Verbesserungsversuch (Reparatur) stehen als „Sekundärbehelf“ der Rücktritt vom Vertrag oder eine Preisminderung zu. Der Eigentümer des schadhaften Produkts ist nicht verpflichtet, seinem Vertragspartner die Gelegenheit für mehrmalige Reparaturversuche für die Behebung eines Mangels zu geben. Der Eigentümer des schadhaften Produkts hat jedoch eine Wahlmöglichkeit: er kann sich sehr wohl dazu entscheiden, seinem Vertragspartner entweder die Gelegenheit für einen weiteren Reparaturversuch zu geben oder nach dem ersten erfolglosen Reparaturversuch den Vertragsrücktritt zu erklären oder eine Kaufpreisreduktion zu begehren. Wenn er sich aber für eine Variante – zweiter Reparaturversuch oder stattdessen die Rückabwicklung oder die Preisreduktion – entschieden hat, so sind die Würfel gefallen: der Eigentümer des schadhaften Produkts ist sodann an die von ihm gewählte Variante gebunden.

Im Falle des hier vorliegenden Fahrzeugkaufs verhielt es sich aber so, dass der Fahrzeugkäufer nach dem zweiten Wassereintritt einen zweiten Reparaturtermin zur Behebung der undichten Stelle vereinbarte und diesen Termin nach dem kurz darauf eingetretenen dritten Wassereintritt stornierte. Der OGH sprach dazu in der Entscheidung vom 19.5.2022, 9 Ob 83/21b, aus, dass dem Fahrzeugkäufer nach dem dritten Wassereintritt sein zuvor vereinbarter zweiter Reparaturtermin obsolet erschien, weil ihm die Nutzlosigkeit des ersten Reparaturversuchs sodann erst richtig bewusst geworden sei. Daher sprach der OGH aus, dass der Fahrzeugkäufer trotz des bereits vereinbarten zweiten Reparaturtermins die Rückabwicklung des Vertrags verlangen durfte.

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