Unterentlohnung

Stand: November 2021

Die wohl bedeutendste Strafbestimmung im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ist nach wie vor die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit der Unterentlohnung (§ 29 LSD-BG).

Erfasst sind nämlich grundsätzlich sämtliche Arbeitnehmer, die in Österreich tätig sind. Es kommt nicht darauf an, ob sie nach Österreich entsendet oder überlassen wurden. Eine Unterentlohnung ist auch dann strafbar, wenn es sich um Beschäftigte handelt, die ausschließlich in Österreich für einen Arbeitgeber mit Sitz im Inland tätig sind bzw tätig waren.
Vom bisherigen Modell der Bestrafung pro Arbeitnehmer wurde abgegangen. Die Strafrahmen sind nunmehr in fünf Stufen gegliedert.

Die einzelnen Stufen nehmen auf die Höhe des vorenthaltenen Entgelts (Schaden) bzw bei der letzten Stufe (Höchststrafe € 400.000,--) auf die vorsätzliche Begehung der Tat und die Höhe der durchschnittlichen Unterentlohnung Rücksicht.

Beispiel: Ein Einzelunternehmen beschäftigt 9 Mitarbeiter. Bei insgesamt 5 dieser Mitarbeiter wird eine Unterentlohnung (Unterschreitung des zu leistenden Entgelts) festgestellt und zur Anzeige gebracht. Die Summe des vorenthaltenen Entgelts beträgt € 10.000,--.
Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (Magistrat/Bezirkshauptmannschaft) kann eine Strafe von höchstens € 20.000,-- verhängen, wenn es sich um einen Erstfall handelt. Im Wiederholungsfall beträgt der Strafrahmen bis zu € 50.000,--.

Wirkt der Arbeitgeber bei der Aufklärung zur Wahrheitsfindung unverzüglich und vollständig mit (zB durch Offenlegung der Lohnbuchhaltung), ist anstelle des Strafrahmens bis € 100.000,-- oder bis € 250.000,-- der jeweils niedrigere Strafrahmen anzuwenden.
Sind die Voraussetzungen für den Strafrahmen der Stufe 5 gegeben, führt die Mitwirkung des Arbeitgebers nicht zu einer milderen Strafe.

Beispiel: Ein Arbeitgeber beschäftigt 50 Mitarbeiter. Bei insgesamt 40 dieser Mitarbeiter wird eine Unterentlohnung (Unterschreitung des zu leistenden Entgelts) festgestellt und zur Anzeige gebracht. Die Summe des vorenthaltenen Entgelts beträgt € 120.000,--.
Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (Magistrat/Bezirkshauptmannschaft) kann eine Strafe von bis zu € 250.000,-- verhängen. Legt der Arbeitgeber unverzüglich seine Lohnbuchhaltung offen und wirkt so bei der Aufklärung zur Wahrheitsfindung mit, darf die Geldstrafe höchstens € 100.000,-- betragen.

Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor.

Überzahlungen, die aus dem Dienstvertrag oder aus einer Betriebsvereinbarung gewährt werden, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen.

Beispiel: Ein Arbeitgeber beschäftigt einen Arbeitnehmer, der einen kollektivvertraglichen Entgeltanspruch von monatlich € 1.800,-- hat. Im Dienstvertrag wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer eine Überzahlung von 10% erhalten soll.
Im März erhält der Arbeitnehmer € 1.980,--, im April erhält er € 1.630,-- und im Mai € 1.800,--.
Es liegt eine Unterentlohnung vor. Im April erhält der Arbeitnehmer nur € 1.630,--. Die Überzahlung im März kann nicht auf die Unterschreitung im April angerechnet werden, da die Überzahlung einen anderen Lohnzahlungszeitraum betrifft. Im Mai liegt keine Unterentlohnung vor, weil das zustehende Mindestentgelt erreicht wurde.

Entgeltbestandteile, die in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Arbeitsvertrag vereinbart wurden, fallen nicht unter die Lohnkontrolle nach dem LSD-BG. Eine Unterzahlung derartig vereinbarter Entgeltbestandteile fällt nicht unter den Verwaltungsstraftatbestand der Unterentlohnung.

Sonderzahlungen (zB Urlaubszuschuss, Weihnachtsremuneration) unterliegen allerdings der Lohnkontrolle. Sollten Sonderzahlungen nicht in der vollen zustehenden Höhe ausbezahlt werden, ist dies strafbar. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für dem ASVG unterliegende Arbeitnehmer liegt eine Verwaltungsübertretung wegen Unterentlohnung nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Zu einer strafbaren Unterentlohnung, welche das „laufende“ Entgelt betrifft, kann also eine weitere Strafe hinzutreten, sollten auch die Sonderzahlungen bis zum Ende des Jahres nicht in voller Höhe ausbezahlt werden.

Die Strafrahmen sind auch auf das Vorenthalten von Sonderzahlungen anzuwenden.

Ebenso strafbar ist die Unterentlohnung bei Heimarbeit nach dem Heimarbeitsgesetz. Bestraft wird hier der Auftraggeber, der einen Heimarbeiter beschäftigt oder beschäftigt hat.

Leistet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nachweislich vor einer Erhebung der zuvor genannten zuständigen Einrichtungen (Amt für Betrugsbekämpfung, Träger der Krankenversicherung, BUAK) die vollständige Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem gebührenden Entgelt, ist die Unterentlohnung nicht mehr strafbar. Dies gilt auch im Wiederholungsfall und unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Unterentlohnung schuldhaft verursacht hat (Tätige Reue).

Absehen von der Verhängung einer Strafe

In Ausnahmefällen können die zuständigen Behörden im Verwaltungsstrafrecht das Verfahren einstellen oder eine Ermahnung aussprechen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.

Bei Unterentlohnung ist dies allerdings in der Form nicht möglich. Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (Magistrat/Bezirkshauptmannschaft) darf grundsätzlich das Verfahren nicht aus diesen Gründen einstellen. Von der Verhängung einer Strafe bei Unterentlohnung ist von der Bezirksverwaltungsbehörde nur abzusehen, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

Geringe Unterschreitung des Entgelts

Wann eine „geringe Unterschreitung des Entgelts“ vorliegt, ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Um eine geringe Unterschreitung des Entgelts wird es sich dann handeln, wenn die Höhe der Differenz zwischen jenem Entgelt, das dem betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich ausbezahlt wurde, und dem zustehenden Entgelt als unbedeutend anzusehen ist. Wird das Entgelt über den zu betrachtenden Zeitraum insgesamt um mehr als 10% unterschritten, kann nicht mehr von einer geringen Unterschreitung ausgegangen werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine einzige Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn mehrere Lohnzahlungszeiträume durchgehend von Unterentlohnungen betroffen sind.

Beispiel: Ein Arbeitgeber beschäftigt einen Arbeitnehmer, der einen kollektivvertraglichen Entgeltanspruch von monatlich € 1.800,-- hat.
Im März erhält der Arbeitnehmer € 1.700,--, im April erhält er € 1.500,-- und im Mai € 1.750,--. Ab Juni wird das volle Entgelt in Höhe von € 1.800,-- bezahlt.
Es liegt eine Verwaltungsübertretung vor. Im April beträgt die Unterschreitung mehr als 10% und kann daher nicht mehr als gering angesehen werden. Im zu betrachtenden Zeitraum übersteigt das Ausmaß der Unterentlohnung 10% aber nicht, weshalb in diesem Fall die Unterschreitung als gering anzusehen ist.

Das Verschulden des Arbeitgebers übersteigt leichte Fahrlässigkeit nicht

Der Arbeitgeber darf weder vorsätzlich noch grob fahrlässig die Unterschreitung des Entgelts veranlassen.

Ob tatsächlich „leichte Fahrlässigkeit“ vorliegt, kann praktisch nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden. Wird ein Arbeitnehmer beispielsweise über einen längeren Zeitraum „unterentlohnt“, wird das Verschulden des Arbeitgebers nicht mehr leicht fahrlässig sein, weil ihm die Unterentlohnung hätte auffallen müssen.

Leichte Fahrlässigkeit wird beispielsweise nicht überschritten, wenn es sich um einen Einzelfall handelt (bei allen übrigen Arbeitnehmern dieses Arbeitgebers liegt keine Unterentlohnung vor), die Unterentlohnung nur für einen kurzen Zeitraum besteht (zB nur in einer einzigen Lohnzahlungsperiode) und sich darüber hinaus durch ein „Versehen“ erklären lässt (zB Fehler in Aufzeichnungen oder Lohnverrechnungen, Tippfehler bei Banküberweisung oder Ähnliches). Auch wenn bei Betrachtung eines lohnperiodenübergreifenden Zeitraums keine Unterentlohnung vorliegen würde (zB wegen einer Überzahlung), kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber mehr als nur leicht fahrlässig gehandelt hat.

Leistung der Entgeltdifferenz

Wird von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (Magistrat/Bezirkshauptmannschaft) im Strafverfahren festgestellt, dass zwar eine Unterentlohnung vorliegt, die Unterschreitung des Entgelts jedoch gering und das Verschulden des Arbeitgebers leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt, wird der Arbeitgeber dazu aufgefordert, binnen einer von der Behörde festgesetzten Frist, die Unterentlohnung auszugleichen und die Zahlung der Differenz zwischen tatsächlich geleistetem und dem Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt nachzuweisen.

Hat der Arbeitgeber schon vor Aufforderung durch die Behörde die Unterentlohnung ausgeglichen, ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (geringe Unterschreitung, leichte Fahrlässigkeit) auch vom Verhängen einer Strafe abzusehen.

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Nachweis, dass der Arbeitgeber die Differenz vom tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, bei der Strafbemessung als strafmildernd zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber muss sämtliche Entgeltansprüche des Arbeitnehmers erfüllen. Dies betrifft auch Entgeltbestandteile, die nach § 49 Abs 3 ASVG in der Sozialversicherung als beitragsfrei behandelt werden. Nachbezahlt müssen auch Entgeltbestandteile werden, die allenfalls bereits verjährt oder verfallen sind und daher vom Arbeitnehmer eigentlich nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden können.

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