Der Kollektivvertrag – Zusammenhänge einfach erklärt!

Stand: November 2021

In vielen Bereichen gelten Kollektivverträge, welche als lohngestaltende Vorschrift für die Berechnung des Entgelts heranzuziehen sind. Kollektivverträge entfalten ihre Wirkung im von ihnen festgelegten räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich. Innerhalb dieses Geltungsbereiches sind die Bestimmungen des Kollektivvertrages in der Regel unmittelbar rechtsverbindlich.

Der räumliche Geltungsbereich beschreibt das Gebiet, innerhalb dessen der jeweilige Kollektivvertrag anwendbar ist (zB für das gesamte Bundesgebiet oder einzelne bzw mehrere Bundesländer oder Regionen).

Der fachliche Geltungsbereich differenziert zwischen den verschiedensten Branchen, für welche Kollektivverträge Anwendung finden. Konkret richtet sich die Anwendbarkeit eines Kollektivvertrages in den meisten Fällen nach der Kammerzugehörigkeit des Arbeitgebers zur jeweiligen Fachgruppe der Wirtschaftskammer Österreich (Organisationsprinzip). Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist dabei nicht von
Bedeutung. Für den jeweiligen Arbeitgeber, der nur Mitglied einer Fachgruppe ist, ist demnach jener Kollektivvertrag anzuwenden, der für eben diese Fachgruppe in Geltung steht.

Es kommt allerdings gar nicht selten vor, dass ein Arbeitgeber in mehreren Branchen tätig ist und aufgrund der Mitgliedschaft in nicht nur einer Fachorganisation mehrfach kollektivvertragsangehörig ist. Auf ein Arbeitsverhältnis kann aber immer nur ein einziger Kollektivvertrag Anwendung finden. Darüber hinaus besteht das Prinzip der „betrieblichen Tarifeinheit“. Die Anwendung verschiedener Kollektivverträge innerhalb eines Betriebes ist daher ebenfalls ausgeschlossen.
Ist also ein Arbeitgeber mehrfach kollektivvertragsangehörig, weil er über mehrere Betriebe bzw einen Haupt- und einen oder mehrere Nebenbetrieb(e) verfügt bzw mehrere Fachorganisationsmitgliedschaften hat, sind die „Kollisionsregeln“ des Arbeitsverfassungsgesetzes heranzuziehen.

In diesem Sinne ist für die Arbeitnehmer jener Kollektivvertrag anwendbar, der dem Betrieb, in welchem diese tätig sind, sowohl in fachlicher als auch in örtlicher Beziehung entspricht.

Diese Regelung gilt auch bei lediglich organisatorisch bzw fachlich getrennten Betriebsabteilungen (zB bei unterschiedlichen Geschäftsleitungen, einer buchhalterischen Trennung, verschiedenen Kostenstellen, unterschiedlicher Personalverantwortlichkeit oder unterschiedlichen Gewerbeberechtigungen) oder Haupt- und Nebenbetrieben.

Sofern keinerlei organisatorische Abgrenzung der einzelnen Betriebe gegeben ist, also ein sogenannter Mischbetrieb vorliegt, ist jener Kollektivvertrag mit der für den jeweiligen Betrieb maßgeblichen, also überwiegenden wirtschaftlichen Bedeutung, anzuwenden.
Es ist daher auf das wirtschaftliche Gepräge im Gesamtbetrieb abzustellen (zB überwiegender Umsatz bzw Gewinn). Dies gilt sinngemäß auch für sogenannte Mischabteilungen.

Ist weder eine organisatorische Abgrenzung noch eine maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung eines fachlichen Wirtschaftsbereiches gegeben, so findet unabhängig von den Verhältnissen des Betriebes jener Kollektivvertrag Anwendung, welchem (bezogen auf die Branchenebene) die größere Zahl an Arbeitnehmern unterliegt.
Sofern ein Betrieb in mehreren Wirtschaftsbereichen tätig ist, wobei allerdings nur für einen ein Kollektivvertrag in Geltung steht, so gilt dieser auch für den anderen Wirtschaftsbereich, wenn keine fachlichorganisatorische Abgrenzung der Betriebe gegeben ist (Schutzprinzip).

Für Arbeitnehmer, die in mehreren Betrieben bzw abgegrenzten Betrieben tätig sind, ist jener Kollektivvertrag anzuwenden, der für jenen Betrieb gilt, in welchem sie überwiegend (zeitbezogen) eingesetzt werden. Ist ein Überwiegen nicht feststellbar, ist jener Kollektivvertrag, welcher in Österreich die größere Anzahl der Arbeitnehmer aufweist, heranzuziehen.

Da die in Österreich geltenden Kollektivverträge grundsätzlich für ausländische Arbeitgeber nicht anwendbar sind, wurden mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz Sonderbestimmungen geschaffen.

Der persönliche Geltungsbereich definiert die Arbeitnehmerarten (Arbeiter, Angestellte, Lehrlinge), auf welche der jeweilige Kollektivvertrag anwendbar ist.

Besonderheiten für ausländische Arbeitgeber

Kollektivverträge werden zwischen den kollektivvertragsfähigen Körperschaften abgeschlossen und gelten insbesondere für jene Arbeitgeber, die Mitglied einer der kollektivvertragsfähigen Körperschaften, die den Kollektivvertrag abgeschlossen haben, sind. Mitglied der Wirtschaftskammer Österreich wird man beispielsweise mit Erlangung einer Gewerbeberechtigung (Pflichtmitgliedschaft). Ausländische Arbeitgeber sind naturgemäß nicht Mitglied einer dieser Körperschaften, weshalb für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern ohne Sitz in Österreich grundsätzlich kein anwendbarer Kollektivvertrag besteht.

Aus diesem Grund finden sich im LSD-BG die Bestimmungen, dass ein Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich dessen Arbeitgeber seinen Sitz nicht in Österreich hat und nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich ist, zwingend Anspruch auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt hat, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt.

Beispiel: Entsendet ein tschechischer Gastronomiebetrieb einen Mitarbeiter auf eine länger dauernde Messeveranstaltung in Österreich, so hat der tschechische Arbeitgeber seinem entsendeten Mitarbeiter mindestens jenes Entgelt zu bezahlen, das sich aus dem Kollektivvertrag ergibt, welcher für die Arbeitnehmer eines vergleichbaren österreichischen Gastronomiebetriebes anwendbar ist.

Besonderheiten bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung

Grenzüberschreitend überlassene Arbeitnehmer haben für die Dauer der Überlassung nach Österreich Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt. Dies ergibt sich insbesondere aus § 10 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) für Arbeitskräfte, die aus dem Ausland nach Österreich überlassen werden.
Die Angemessenheit orientiert sich in diesem Zusammenhang an jenem gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder durch Verordnung festgelegten Mindestentgelt, das inländischen Arbeitnehmern des Beschäftigerbetriebes für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlen wäre.

In der Praxis und insbesondere für Zwecke der Ermittlung des Entgelts grenzüberschreitend überlassener Arbeitnehmer im Sinne des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes ist der der fachlichen Ausrichtung des Beschäftigerbetriebes entsprechende Kollektivvertrag heranzuziehen.
Sofern für den Beschäftigerbetrieb kein Kollektivvertrag in Geltung steht oder im Fall von Stehzeiten ist für überlassene Arbeitnehmer der Kollektivvertrag für das Gewerbe (bzw für Angestellte des Gewerbes) der Arbeitskräfteüberlassung heranzuziehen.

Dies gilt jedenfalls auch dann, wenn die „Überlasserkollektivverträge“ im Vergleich zum anwendbaren Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes für die Arbeitnehmer günstiger sind.

Einstufung der Arbeitnehmer

Im Sinne der Bestimmungen des LSD-BG haben die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten. Derartige Einstufungskriterien sind in den Kollektivverträgen unterschiedlich geregelt und im Einzelfall individuell anzuwenden. Für die Einstufung der Arbeitnehmer maßgebliche Kriterien sind beispielsweise anrechenbare Vordienstzeiten, Schulzeiten oder sonstige Ausbildungszeiten. Bedacht zu nehmen ist nach einigen Kollektivverträgen außerdem auf die vom Arbeitnehmer tatsächlich ausgeübte Tätigkeit im Betrieb sowie deren Dauer, da die Kollektivverträge meist verschiedene Beschäftigungsgruppen vorsehen. Auch besondere Qualifikationen, die der Arbeitnehmer mitbringt, sind nach manchen Kollektivverträgen zu berücksichtigen.

Beispiel: Eine Hauptkassierin eines niederösterreichischen Handelsunternehmens, welche über anrechenbare Vordienstzeiten im Ausmaß von 5 Jahren, 8 Monaten und 2 Wochen verfügt, ist im Kollektivvertrag für Handelsangestellte (dessen Geltungsbereich auch Niederösterreich umfasst) in der Beschäftigungsgruppe 4 im 6. Berufsjahr einzustufen.

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